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Literatur

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Lesungen

Von Sehnsucht und Heimat

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Datum:

05.12.2022 - 07.12.2022

Ort:

Klagenfurt, Czernowitz

Partner:

Land Kärnten, Zukunsftsfonds der Republik Österreich, Ukraine Office Austria, Österreichisches Kooperationsbüro Lemberg

Organisator:

Österreichischer Integrationsfonds, Kunstmuseum Czernowitz

Vorstellung und Lesung des ukrainisch-deutschen Gedichtbands von Rose Ausländer und Lesja Ukrajinka

Der Band enthält ausgewählte Werke der beiden Lyrikerinnen Rose Ausländer und Lesja Ukrajinka in Originalsprache mit literarischen Übersetzungen ins Ukrainische bzw. Deutsche.

Das Buch ist mit Bildern von Augusta Kochanowska illustriert.

Klagenfurt, 5. Dezember 2022 um 17:30

Mozartsaal, Konzerthaus Klagenfurt

Adresse: Mießtaler Str. 8, 9020 Innere Stadt

Eintritt frei! Anmeldung- unter dem Link.

Czernowitz, 7. Dezember 2022 um 16:00 Uhr

Kunstmuseum Czernowitz

Adresse: Zentralna Pl. 10, 58002 Czernowitz

Übersetzer: Petro Rychlo (Rose Ausländer, ins Ukrainische), Irena Katschaniuk-Spiech, Alois Woldan, Anna Charlotte Wutzky (Lesja Ukrajinka, ins Deutsche).

Herausgegeben wurde der Gedichtband vom Österreichischen Intergrationsfonds in Kooperation mit dem Ukraine Office Austria im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten und dem Kunstmuseum Czernowitz sowie mit Unterstützung von Prof. Alois Woldan (Professor für Slawische Literaturen an der Universität Wien).

Alois Woldan über die Dichterinnen Rose Ausländer (1871-1913) und Lesja Ukrajinka (1871-1913), die mehr gemeinsam haben als es aufden ersten Blick scheint.

Die beiden Dichterinnen, die in diesem Band vertreten sind, haben auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam – eine Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie beide aus der heutigen Ukraine stammen: Lesja Ukrajinka (1871-1913) ist in Wolhynien geboren, das damals zum Zarenreich gehört; Rose Ausländer (1901-1988) dreißig Jahre später in Czernowitz, das bis 1918 Teil der zur österreichischen Bukowina war. Auch die Nachnamen der beiden Dichterinnen, unter denen sie bekannt geworden sind, sind nicht die eigentlichen Namen: „Ukrajinka“ ist ein Pseudonym, die Dichterin hieß eigentlich Larisa Kosatsch-Kwitka; und ähnlich wurde Rose Scherzer erst durch eine nur kurze Ehe mit Ignaz Ausländer zu Rose Ausländer.

Nicht nur den Geburtsort in der heutigen Ukraine und den Namenswechsel teilen sich die beiden Lyrikerinnen. Lesja Ukrajinka wuchs in einer bewusst ukrainischen Familie in russischer Umgebung auf, Rose Ausländer in einer deutschsprachigen jüdischen Familie im viersprachigen (deutsch-rumänisch-ukrainisch-jiddisch) „Buchenland“. Die besondere Sensibilität für Sprache bei den beiden Dichterinnen mag auch von dieser Herkunft bedingt sein. Beide Frauen hatten ein schweres Los: Lesja Ukrajinka kämpfte die längste Zeit ihres nicht sehr langen Lebens gegen eine schwere Krankheit, der sie schließlich zum Opfer fiel. Rose Ausländer musste während ihres langen Lebens das Schicksal einer Jüdin im 20. Jahrhundert erleiden: Verfolgung, Ghetto, Emigration und Heimatlosigkeit – auch ein spätes Exil in Düsseldorf. Beide Autorinnen waren Zeit ihres Lebens unterwegs, Lesja Ukrajinka innerhalb des Zarenreichs, aber auch in Westeuropa und Ägypten; Rose Ausländer pendelte mehrfach zwischen Czernowitz und New York,  zwischen Deutschland und Amerika. Auch Wien haben beide besucht, Lesja Ukrajinka Ende des 19. Jahrhunderts, um sich vom berühmten Chirurgen Billroth behandeln zu lassen; Rose Ausländer erst nach dem Zweiten Weltkrieg – so richtig heimisch konnte sie in Wien aber nicht werden.

Beide Dichterinnen stehen exemplarisch für eine nationale wie auch regionale literarische Tradition: Lesja Ukrajinka für die ukrainische Dichtung (schon von ihrem Namen her ist sie die „Ukrainerin“ schlechthin), die mit ihrer Person einen Höhepunkt erreichte; Rose Ausländer für die deutsch-jüdische Dichtung der Bukowina, die im 20. Jahrhundert Weltgeltung gewann. Und beide sind Frauen, die sich in einer von Männern besetzten Domäne behaupten mussten. Die ukrainische Literaturgeschichte kennt vor Lesja Ukrajinka nur wenige schreibende Frauen, und ebenso verhält es sich mit der deutsch-jüdischen Literatur der Bukowina, die von männlichen Namen dominiert wird.

Was die Sprache ihrer Gedichte betrifft, so unterscheiden sich die Beiden nicht nur durch die Verwendung einer anderen Nationalsprache (Ukrainisch bzw. Deutsch), sondern auch eine andere Technik ihrer lyrischen Sprache. Während Lesja Ukrainka in der Konvention der Lyrik des 19. Jahrhunderts Reim und Metrum gebraucht, ist Rose Ausländer sehr bald von dieser Konvention abgegangen und hat vor allem unter dem Eindruck des amerikanischen Exils begonnen Verse in freien Rhythmen zu schreiben. Dazu kommt eine Tendenz zur Kürze und zum komprimierten Ausdruck, die vor allem für Ausländers Spätwerk typisch ist. Ukrajinka wiederum hat neben ihren zahlreichen lyrischen Arbeiten eine Reihe von Dramen verfasst, ganz im Sinn der neoromantischen Moderne; Ausländer hingegen ist im Wesentlichen bei der Lyrik geblieben. Lesja Ukrajinka hat frühe Erfolge mit ihrer Kunst gefeiert, schon als junge Frau wurde sie hoch geschätzt; Rose Ausländer hingegen musste lang auf ihre Anerkennung als Dichterin warten, erst in einem fortgeschrittenen Alter konnte sie allmählich einen festen Platz in der deutschsprachigen Lyrik einnehmen. Anders aber verhält es sich mit der Bekanntheit der beiden weltweit: während zwar eine jede Ukrainerin und ein jeder Ukrainer die Dichterin Lesja Ukrajinka kennt, ist sie in der Weltliteratur kaum bekannt, weil nur wenige ihrer Texte übersetzt wurden; Rose Ausländer ist dagegen als führende deutschsprachige Lyrikerin international bekannt und geschätzt.

Beide Dichterinnen sind in gleicher Weise wichtig für die ukrainische und für die europäische Literatur, beide verkörpern Traditionen eines Landes, das heute Opfer eines grausamen Angriffskriegs geworden ist. Das Werk beider Dichterinnen steht als Zeugnis des Glaubens an die Wahrheit der Kunst und das Gute im Menschen, das letzten Endes über das Unrecht siegen wird.